„BUWOG-Urteil“ – Stellungnahme der Generalprokuratur erfolgt
„BUWOG-Urteil“
Stellungnahme der Generalprokuratur:
Bestätigung der Untreue-Schuldsprüche (bis auf einen Angeklagten) zum „BUWOG“-, (zur Gänze) zum „Terminal Tower“- und (teilweise) zum „Telekom“-Komplex, sowie zu sonstigen Begleitdelikten und Verschleierungshandlungen empfohlen;
Aufhebung weiterer Schuldsprüche und Verfahrenswiederholung betreffend Bestechung, Unterschlagung, falsche Beweisaussage, Untreue (zu Teilen des „Telekom“-Komplexes sowie zu einem Angeklagten betreffend „BUWOG“) und zu einem Beweismitteldelikt geboten
Allgemeines:
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 4.12.2020, GZ 15 Hv 1/17z-4916 („BUWOG-Urteil“), wurde über die gegen insgesamt 14 Angeklagte erhobenen Anklagevorwürfe der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft sowie der Staatsanwaltschaft Wien entschieden.
6 Angeklagte wurden zur Gänze rechtskräftig freigesprochen. Zu 8 Angeklagten ergingen (nicht rechtskräftige) Schuldsprüche, zu verschiedenen Fakten auch (rechtskräftige) Teilfreisprüche.
Alle schuldig gesprochenen Angeklagten haben die sie betreffenden Schuldsprüche mit Nichtigkeitsbeschwerde sowie die Strafaussprüche und die – soweit davon betroffen – Privatbeteiligtenzusprüche mit Berufung bekämpft.
Über diese Rechtsmittel wurde noch nicht entschieden. Das Urteil ist – außer zu den Freisprüchen – nicht rechtskräftig. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Zu den 8 Nichtigkeitsbeschwerden hat die Generalprokuratur am 23.5.2024 eine 160-seitige Stellungnahme („Croquis“) an den Obersten Gerichtshof erstattet.
Zum Verfahrensumfang:
Das Rechtsmittelverfahren ist überaus umfangreich. Exemplarisch sei auf folgende Eckpunkte hingewiesen:
Der (auch in elektronischer Form vorgelegte) Akt umfasst 58 Kisten und allein den „BUWOG-Komplex“ betreffend rd 5.200 Aktenstücke („ONs“ – Ordnungsnummern). Der ebenfalls umfangreiche „Telekom-Komplex“ ist dabei unter einer einzigen Ordnungsnummer (ON) erfasst. Das Urteil erging nach 169 Verhandlungstagen, trägt die „ON 4916“, betrifft insgesamt 53 Schuld- und Freispruchfakten und umfasst 1.280 Seiten. Das Rechtsmittelvorbringen beträgt insgesamt 1.141 Seiten.
Zur empfohlenen Bestätigung des Urteils:
Nach Ansicht der Generalprokuratur wären folgende Schuldsprüche zu bestätigen und die zu diesen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden zurückzuweisen, und zwar betreffend:
– Mag. Karl-Heinz G. wegen der Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB und der Geschenkannahme durch Beamte nach § 304 Abs 1 und Abs 3 StGB (idF BGBl I 2001/130 und BGBl I 2004/136; Fakten „BUWOG“ und „Terminal Tower“) sowie wegen der Vergehen der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 1 StGB;
– Walter M. wegen der Beteiligung an den Verbrechen der Untreue nach §§ 12 dritter Fall, 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB und der Geschenkannahme durch Beamte nach §§ 12 dritter Fall, 304 Abs 1 und Abs 3 StGB (idF BGBl I 2001/130; „BUWOG“ und „Terminal Tower“) sowie wegen der Vergehen der Bestechung nach (richtig) § 307 Abs 1 Z 1 StGB (idF BGBl I 1998/153; „BUWOG“) und der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB;
– Dr. Peter H. wegen der Beteiligung an den Verbrechen der Untreue nach §§ 12 dritter Fall, 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB („BUWOG“ und [zu Fakten, zu welchen bereits rechtskräftige Schuldsprüche der unmittelbaren Täter vorliegen] „Telekom“) und der Geschenkannahme durch Beamte nach §§ 12 dritter Fall, 304 Abs 1 und Abs 3 StGB (idF BGBl I 2001/130; „BUWOG“);
– MMag. Dr. Karl P. wegen Beteiligung am Verbrechen der Untreue nach §§ 12 dritter Fall, 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB („BUWOG“);
– Univ.‑Prof. Dr. Gerald T. wegen der Vergehen der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB, der Begünstigung nach §§ 15, 299 Abs 1 StGB (idF BGBl I 2007/93) und der Geldwäscherei nach § 165 Abs 1 und Abs 3 StGB (idF BGBl I 2007/109) und
– Norbert W. wegen der Vergehen der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 1 und Abs 2, 12 dritter Fall StGB, der Begünstigung nach §§ 15, 299 Abs 1 StGB (idF BGBl I 2007/93) und der Geldwäscherei nach § 165 Abs 1 und Abs 3 StGB (idF BGBl I 2007/109).
Zur empfohlenen Aufhebung des Urteils:
Nach Ansicht der Generalprokuratur wären hingegen in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Dr. Georg S. und Mag. Rudolf F. (wegen von ihnen zutreffend geltend gemachter Begründungsmängel) und aus deren Anlass in amtswegiger Wahrnehmung von Rechtsfehlern nachgenannte Schuld- und Strafaussprüche (zum Angeklagten Dr. Georg S. auch der wider diesen ergangene Privatbeteiligtenzuspruch) aufzuheben; in diesem Umfang wäre mit einer Verweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht vorzugehen, und zwar hinsichtlich der Angeklagten
– Mag. Karl-Heinz G. wegen der Beteiligung an Vergehen der Fälschung eines Beweismittels nach §§ 12 dritter Fall, 293 Abs 2 StGB;
– Walter M. wegen der Beteiligung am Vergehen der Bestechung nach §§ 12 dritter Fall, 307 Abs 1 Z 1 StGB (idF BGBl I 1998/153; „Terminal Tower“);
– Dr. Peter H. wegen der Beteiligung am Verbrechen der Untreue nach §§ 12 dritter Fall, 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB (einige Fakten des „Telekom“-Komplexes betreffend) und am Vergehen der Bestechung nach §§ 12 dritter Fall, 307 Abs 1 Z 1 StGB (idF BGBl I 1998/153; „BUWOG“) sowie wegen der Vergehen der Unterschlagung nach § 134 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und Abs 3 StGB;
– MMag. Dr. Karl P. wegen des Vergehens der Bestechung nach § 307 Abs 1 Z 1 StGB (idF BGBl I 1998/153; „BUWOG“);
– Dr. Georg S. wegen der Beteiligung am Verbrechen der Untreue nach §§ 12 dritter Fall, 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB und wegen des Vergehens der Bestechung nach § 307 Abs 1 Z 1 StGB (idF BGBl I 1998/153; „BUWOG“) und
– Mag. Rudolf F. wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB („Telekom“).
Daraus folgt nach Ansicht der Generalprokuratur die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Strafberufungen der Angeklagten Univ.‑Prof. Dr. T. und Norbert W. (deren Schuldsprüche zur Gänze zu bestätigen wären) sowie über die Berufungen der Angeklagten Mag. Karl-Heinz G., Walter M. und MMag. Dr. Karl P. gegen die (von der empfohlenen Aufhebung einzelner Schuldsprüche unberührt bleibenden) Aussprüche über die privatrechtlichen Ansprüche.
Mit ihren Strafberufungen wären die Angeklagten Mag. Karl-Heinz G., Walter M., Dr. Peter H., MMag. Dr. Karl P., Dr. Georg S. und Mag. Rudolf F. auf die Aufhebung einzelner, sie betreffenden Schuld- und Strafaussprüche zu verweisen.
Ihre Rückfragen richten Sie bitte an
Dr. Martin Ulrich
Generalanwalt
(Leiter der Medienstelle)
Mobil: +43 676 8989 14000
Fax: +43 1 52152 3313
Email: martin.ulrich@justiz.gv.at